Donnerstag, 27. März 2014

Der Ablass oder die Vermarktung des Fegefeuers


Der Ablass oder die Vermarktung des Fegefeuers

Veröffentlicht am 13.12.2013
Kirche & Geld. Die Geschichte
eines Finanzprodukts. Ablassbriefe, im Diesseits erworben, Einlösung im
Jenseits. Wie bei der Aktie liegt das Risiko beim Anleger. Die
Wertpapiere wurden ab 1455 auch als Drucke vertrieben, wodurch der
Handel richtig in Schwung kam. Und Martin Luther dann auch, im Jahr
1517. Da gibt es in Brandenburg ein verheißungsvolles Reiseziel für
Menschen, die nach ihrem letzen Seufzer nicht geröstet werden wollen.
Von Kindheit an hat man sie zuhause und in der Kirche mit der Rede über
ihre Sünden und das "Fegefeuer" verängstigt. Der päpstliche Kommissar
und Prediger Johannes Tetzel schlägt in Jüterbog an der Grenze zu
Sachsen in die gleiche Kerbe, aber hat aber auch dass Rettende zu Hand:
Ablassbriefe, gegen Überlassung etwa eines halben Monatslohns. Die
Papiere sind vom Wesen her Aktien, auf den Erwerber namentlich bezogen
und sollen der Erlass aller "zeitlichen Sündenstrafen" bewirken. Diese
Schuld - so in etwa die Lehre - bleibt der Seele des Toten anhaften,
obwohl dem Lebenden nach Beichte und Buße auch vor Gott wirkend alle
Sünden von der Kirche vergeben wurden. Rationaler Kern des Konstrukts:
Die Seele ist die Sünden los, für die Folgen der Taten bei ihrer
Begehung muss noch Genugtuung geleistet werden. Zecks Verständlichkeit
ein Vergleich mit der weltlichen Strafpraxis: Mit dem Urteil ist die Tat
aufgewogen - Vergebung - der Verurteilte wird durch Freiheitsentzug
bestraft - Vergeltung - und gebessert - gereinigt, geläutert. Amnestie:
Der Ablass. Wie es in dem Gefängnis zuging, hatten die Kunden Tetzels
auf Bildern gesehen. Etwa: Kleine Teufel unterhielten ein Feuer unter
einem Kessel, in denen die armen Sünder vor sich hin köchelten. In den
frühen Kirche hatte man sich den Ort der ewigen Verdammnis, vulgo die
Hölle so ausgemalt. Wo sich die Seelen aufhielten, die nicht gleich in
den Himmel aufstiegen, war aber lange strittig. Erst im 11. Jahrhundert
begannen sich die Theologen zu einigen: Alle Seelen, die noch Strafen
abzusitzen haben, verweilen im Purgatorium bis zum Jüngsten Gericht und
damit dem Neuen Testament angekündigtem Weltende. Die Festlegung
erfolgte durch das Konzil von Lyon im Jahr 1274:



"Die Seelen der Bußfertigen werden durch die Strafen des Purgatoriums gereinigt."



Wie
weh es dort tut, blieb offen. Theologisch und logisch war die Sache ja
nicht so einfach. Der als nicht sterblich angesehene Teil des Menschen
war ja körperlos, konnte also eigentlich nicht durch Beifügung von
Schmerzen bestraft werden. Die Kirche hat dieser Logik folgend lange
gezögert, die Seelenqualen konkret auszumalen. Die These, in jenseitigen
Gefilden könne ein reinigendes Feuer (purgatorius ignis) brennen, wurde
lange nur in Theologenkreisen erörtert. Jetzt flossen diese
Vorstellungen ein, als es galt, ein deutsches Wort für purgatorium zu
finden: Fegefeuer. Und ins Bild umgesetzt sah man dann, wie die Flammen
um die Seelen der Toten züngeln. Der Kirche war es recht. Der
Klerikerstand vermehrte sich ständig, während die traditionellen
Pfründen (Kirchenzehnte, Pacht, Altaropfer) stagnierten. Die einzige
variable Versorgungsquelle war die Straferlass gegen Bezahlung. Wer
Angst hat, nach dem Ableben nicht etwa nur symbolisch-spirituell,
sondern ganz konkret Brandwunden zu erleiden, trennt sich leichter von
irdisch Hab und Gut. Tetzels Predigt erweckte offenbar sogar den
Eindruck, als garantiere der von ihm angebotene Ablass nach dem letzten
Seufzer den sofortigen Aufstieg in den Himmel ohne Fegefeuer und
Gerichtsverfahren. In den bekannten Freisprechungsformeln ist nur vom
Erlass der Reinigungsstrafen die Rede. Ablassbriefe waren nicht
übertragbar, also konnten sie nicht wie Aktien gehandelt werden. Als
Geldanlage zur Vorsorge kann sie heute durchaus beschrieben werden. Da
Reklamationen wegen mangelnder Wirksamkeit des Papiers noch nicht zur
Erde durchgedrungen waren, gingen die Emitenten kein Risiko ein.
Ablassbriefe konnten auch für die schon verstorbenen Verwandten erworben
werden. Auf spöttischen protestantischen Flugschriften wird Tetzel mit
diesem Vers zitiert:

Keine Reue, keine Beichte, huy. In einem
gedruckten Ablassbrief aus dem Jahr 1455 wird einem Friedrich Schulem -
"der gemäß seines Vermögens einen Beitrag geleistet hat - die
vollständige Sündenerlassung für den Fall des Todes" zugesagt. Ganz so
einfa

"Sobald der Gulden im Becken klingt

Im Huy die Seel in den Himmel springt."



Nicht ganz so einfach. Nach der Sterbende legt sein Papier vor und beichtet:Dann sagt der Priester:



"Ich
erlasse dir die Strafen der Reinigung, in welche du wegen Schuld und
Vergehen geraten bist und erteile dir die vollständige Erlassung deiner
Sünden, soweit die Schlüsselgewalt der heiligen Mutter Kirche reicht. "

Also
direkt ist keine Rede vom Himmel oder Feuer. Aber er dürfte beruhigter
gestorben sein mit dem em Papier in der Hand. Das war die Rendite. Peter
Milger. http://www.milger.de/

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